Geschichte und Archiv
Die Gründungsgeschichte der „Rahlgasse“ spiegelt den jahrzehntelangen Kampf von Frauenrechtlerinnen um den Zugang von Mädchen zur Hochschulreife und zum Universitätsstudium wider.
1866 wurde der „Wiener-Frauen-Erwerbs-Verein“ gegründet, der die Einrichtung eines Mädchengymnasiums zum Ziel hatte. Bei der 3. Generalversammlung am 8. März 1870 stellt Marianne Hainisch ihren berühmten Antrag auf Errichtung eines Unter-Realgymnasiums für Mädchen.
1892 wurde dann auf ihre Initiative das erste Gymnasium für Mädchen im deutschsprachigen Raum errichtet. Unsere Schule war also das erste Gymnasium für Mädchen auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich, also die erste Schule, die Mädchen zur Hochschulberechtigung führte. In der Hegelgasse wurde die erste Mädchenklasse mit 30 Mädchen eröffnet, aber erst 1910 bekam die Schule das Öffentlichkeitsrecht. Die Schule war von Beginn an von hohem intellektuellem Niveau geprägt.
1910 kam es zur Übersiedlung in das Haus Rahlgasse 4, Wien 6. Die spätere Kernphysikerin Marietta Blau maturierte als eine der ersten Schülerinnen im Jahr 1914. Sie war bahnbrechend in der Entwicklung der fotografischen Methode der Teilchenregistrierung, mit der später die Entdeckung der „Zertrümmerungssterne“ begann.
Die Rahlgasse im 2. Weltkrieg
Im März 1938 wurde die damalige Direktorin Dr. Gertrud Herzog-Hauser als Jüdin ihres Amtes enthoben und sofort entlassen, wobei sie über die Schweiz in die Niederlande flüchten konnte und so den Krieg im Exil überlebte.
Nach dem Krieg wurde ihr nicht gestattet, in ihre ursprüngliche Funktion zurückzukommen und auch eine Univerisitätsprofessur an der Universität Innsbruck wurde ihr noch 1949 verwehrt, obwohl sie die erste habilitierte Altphilologin Österreichs war.
Der Anteil der jüdischen Schülerinnen war aufgrund des hohen Stellenwerts der Bildung in den jüdischen Familien im Gymnasium Rahlgasse relativ hoch. Viele von ihnen wurden aber wegen der nationalsozialistischen Rassenideologie gezwungen, die Schule zu verlassen bzw. wurden im Zuge der Verfolgung ermordet.
Die Schule wurde in der Folge verstaatlicht und in eine Frauenoberschule umgewandelt. Die Ziele der Mädchenbildung änderten sich radikal, “Rassenreinheit, Erbgesundheit und Mutterschaft” waren die Schwerpunkte der nationalsozialistischen Bildung.
Mit dem Ende des Krieges 1945 und der Befreiung Wiens durch die Alliierten gelang es Dr. Maria Jacot, die Schule als provisorische Leiterin wiederzueröffnen. Sie sollte das Gymnasium Rahlgasse über 30 Jahre lang leiten.
Die Direktion JACOT 1945-1977
Dr. Maria Jacot leitete die Schule 32 Jahre, und führte den Namen „Bundesrealgymnasium und -gymnasium für Mädchen, Rahlgasse 4“ ein.
Die Direktion SCHIEFERDECKER 1978-1992
Sie leitete das Gymnasium 14 Jahre lang und führte zahlreiche Reformen ein. Unter ihrer Leitung wurden zum ersten Mal Buben in die Schule aufgenommen und der Unterricht fand nur mehr an 5 Tagen in der Woche statt. KoKoKo (Kommunikation – Kooperation – Konfliktlösung) (LINK) und Offenes Lernen beschäftigten sich immer mehr mit den sozialen Gegebenheiten in einer Klasse und den spezifischen Begabungen einzelner SchülerInnen. Außerdem wurde während ihrer Amtszeit das Hundertjahr-Jubiläum des ersten humanistischen Mädchengymnasiums Österreichs gefeiert.
Die Direktion SCHIEFERDECKER 1978-1992
Sie leitete das Gymnasium 14 Jahre lang und führte zahlreiche Reformen ein. Unter ihrer Leitung wurden zum ersten Mal Buben in die Schule aufgenommen und der Unterricht fand nur mehr an 5 Tagen in der Woche statt. KoKoKo (Kommunikation – Kooperation – Konfliktlösung) und Offenes Lernen beschäftigten sich immer mehr mit den sozialen Gegebenheiten in einer Klasse und den spezifischen Begabungen einzelner SchülerInnen. Außerdem wurde während ihrer Amtszeit das Hundertjahr-Jubiläum des ersten humanistischen Mädchengymnasiums Österreichs gefeiert.
Die Direktion SCHRODT 1992 – 2010
Heidi Schrodt setzte die Schultradition fort. Die Neubestimmung und Weiterentwicklung der Koedukation war ihr ein zentrales Anliegen.
Am 27. Mai 1994 kam es zur Eröffnung des generalsanierten Schulhauses. Unter ihrer Leitung entstand aus den alten Projektideen (Mädchenförderung, Antirassismus, Toleranz) das neue Leitbild der Schule und die drei Schulschwerpunkte (Gender – Umwelt – Soziales, genannt GUS) wurden weiter entwickelt. Aus der Arbeit mit Mädchen & Buben entwickelten sich Genderbeauftragte und StreithelferInnen, die nun schon viele „Generationen“ lang zum sozialen Lernen beitragen. Aus der Vielfalt an Interessen und Begabungen entstanden die „kursartigen Wahlpflichtfächer„, die unseren SchülerInnen, die Möglichkeit bieten, sich aufs Leben an der Universität vorzubereiten.
Die Direktion ACKERL 2010/2011
Erika Ackerl leitete interimistisch für 7 Monate die Übergangsphase und bereitete die Übergabe an die neue Direktorin vor.
Die Direktion ROLLETT (seit 2011)
Ilse Rollett leitet seit 1. Juli 2011 die Schule. In ihrer Dienstzeit wurde nach einem intensiven Diskussionsprozess das Leitbild aktualisiert, die feministische Schultradition hin zu einer modernen Gender- und Diversitätspädagogik entwickelt und die Holocaust-Erziehung intensiviert. Der lang ersehnte Turnsaalneubau konnte im Jahr 2018 nach 3 langen Jahren der Bauzeit, in der die Oberstufe in einem Ausweichquartier in Erdberg unterrichtet wurde, endlich eröffnet werden.
Das Archiv
Das Archiv der Schule ist, nach Absprache und gemäß der geltenden Datenschutzbestimmungen, für Forschungszwecke zugänglich.
Als zentraler Bestand darf die lückenlos erhaltene Serie der Hauptkataloge seit Gründung, also beginnend mit dem Schuljahr 1892/1893, gelten. Diese Stammbücher erfassten alljährlich sämtliche SchülerInnen, und geben Auskunft nicht nur über Fächer und Noten, sondern liefern detaillierte sozialhistorische Schlüsselinformationen zu: Geburtsort, Geburtstag, Wohnsitz, Staatsbürgerschaft und Herkunft, Muttersprache, Religionszugehörigkeit, Vater (Mutter), Beruf des Vaters, Schulgeld, Stipendium, Schülerstatus, Übertritt aus welcher Schule, etc.
Die Kataloge enthalten auch Informationen über Lehrkräfte und Direktion. Ergänzt wird dieser Bestand durch die ebenfalls lückenlos erhaltenen Reifeprüfungsprotokolle, die ähnlich detaillierte Angaben enthalten, und ab dem Schuljahr 1905/1906 vorliegen.
Davor wurden die Schülerinnen der Rahlgasse (damals noch Hegelgasse) als Externe am Akademischen Gymnasium geprüft. Im Archiv gibt es auch eine Zeitungsausschnittsammlung seit dem Jahr 1992, Sammlungen zu den pädagogischen Besonderheiten der Rahlgasse, wie der 5-Tage Woche (die Rahlgasse führte diese als erste Schule in Österreich ein), dem Kollegsystem, den Pädagogischen Tagen und dem Streithelfersystem, sowie den pädagogischen Schwerpunkten (Gender; Umwelt; Soziales).
Gesammelt wurde Material außerdem unter anderem zu berühmt gewordenen Absolventinnen der Rahlgasse, und zu verschiedenen historischen und weniger weit zurückliegenden Ereignissen rund um die Rahlgasse.