Was vorher geschah
Die Schüler und Schülerinnen der 1. Klassen verlassen das Deutschtutorium üblicherweise mit fertigen Deutsch-Hausaufgaben. Findet das Tutorium jedoch an einem Tag mit Vormittagsunterricht ohne Deutsch statt, ist das Übliche weder möglich noch notwendig. So geschehen in der 1D im Schuljahr 2009/10. Ohne Deutschunterlagen können keine Hausaufgaben gemacht werden.
Ein Buch, das wir über mehrere Wochen gemeinsam lasen, trat dafür ein. Es brachte Kontinuität in die wöchentliche Tutoriumsstunde. Am Anfang wurde erzählt, wo wir uns im Buch gerade befanden und dann durfte jeweils eine Schülerin oder ein Schüler laut vorlesen, die anderen hörten zu. Abschließend zeichnete jeder/jede zum Buch ein Bild, die Schüler und Schülerinnen vergaben Punkte und der Zeichner und die Zeichnerin mit den meisten Punkten wurden mit Büchern ausgezeichnet.
Wie ein Buch entsteht
Als nächstes wollten die Schülerinnen und Schüler im Tutorium selber ein Buch schreiben. Sie schreckte auch nicht, dass die verbleibenden Unterrichtsstunden dafür nicht ausreichen würden und sie auch zu Hause schreiben müssten.
Verschiedenste Textsorten waren erwünscht: Geschichten, Gedichte, Comics usw.
Teilweise arbeiteten Schüler und Schülerinnen zu zweit, wobei ein Kind eine Geschichte begann und das andere schrieb sie fertig oder eines spendete die Idee und das andere brachte sie zu Papier. Die Schülerinnen und Schüler sind im Schreibprozess geblieben, haben sich auch untereinander mit den unterschiedlichen Methoden motiviert, bis ihre Texte ausgebrütet waren.
Die Autoren und Autorinnen tippten ihre Texte ab und motivierten Personen aus ihrem Umfeld, sie dabei zu unterstützen. Sie korrigierten ihre Arbeiten auch gegenseitig, machten Vorschläge hinsichtlich Sprache und Textverlauf.
Alle geschriebenen Texte wurden ins Buch aufgenommen, deren Reihenfolge bestimmten die Autorinnen und Autoren. Sie fügten ihren Worten auch Bilder hinzu, machten Zeichnungen für den Umschlag, wählten dafür eine tolle Farbe und gaben ihrem Buch einen wunderschönen Titel.
Weiters stellten sie Überlegungen zum Format des Buches, zur Art der Bindung und zur Schriftgröße an. Viele ihrer Wünsche sind in ihrem Werk Von Welt zu Welt Wirklichkeit geworden.
Unterstützt von der Mutter einer Autorin, Frau Janne Scheiber-Nareyka, mit Zeit und Expertise, gefördert aus Mittel des Elternvereins, hat Von Welt zu Welt Gestalt angenommen.
Hurra, unser Buch ist da!
Das Bücherpaket wurde im Kreis der Autorinnen und Autoren einen Tag vor Schulschluss geöffnet, es war binnen weniger Tage gedruckt worden. Mit Kindersekt stießen wir auf Von Welt zu Welt an und die Schülerinnen und Schüler vollführten in der Nachmittagsbetreuung einen wahren „Büchertanz“. Die Auflage war innerhalb von 24 Stunden vergriffen.
Für eine schöne Sache zu arbeiten, fördert den eigenen Sprachgebrauch auf verschiedensten Ebenen und das zeichnet/e ganz besonders unser/ein Buchprojekt aus. Unterricht als individueller und gemeinsamer Prozess hat stattgehabt und ich freu mich, wenn Kinder über ihr Buch Sätze formulieren wie: „Wir haben gelernt zusammen zu arbeiten und uns zu einigen.“ (Manuel Maurizio Riedl) „Die Geschichten auf das Blatt Papier zu bringen, das war für mich ein bisschen schwer. Nur sehr langsam ging es voran. Doch ich glaube, letztendlich ist es eine tolle Geschichte geworden, über die wir gelernt haben, dass die Hautfarbe, die Religion und das Heimatland nichts ausmachen und aus zwei verschiedenen Menschen und natürlich auch Tieren Freundschaften werden. (Luise Paula Scheiber) „Am Anfang wusste ich nicht, was ich schreiben sollte. Doch dann kamen mir viele Ideen und ich schrieb eine Geschichte. In der Zeit in der wir zusammen gearbeitet haben, haben wir – zumindest ich – viel gelernt, z.B. dass wir eine Gruppe sind und zusammenhalten müssen. Ich bin froh, dass das Buch veröffentlicht wird und ich hoffe, dass es vielen Menschen Freude macht.“ (Sarah Esosa Osazuwa) „Wir haben so viel gearbeitet …“ (Miriam Bonaparte-Auguste) „Das Buch war für mich wie ein Antrieb zum Schreiben. Wäre es nicht das Ziel gewesen, hätte ich nicht einmal eine halbe Seite hingebracht. Wir haben zusammen Ideen ausgebrütet und dann geschrieben. Wären wir alleine gewesen, wir hätten das nie geschafft. […] Wir haben gelernt, dass Religion, Hautfarbe und solche Sachen nichts am Charakter ändern und dass man mit verschiedenen Menschen genauso gut spielen kann. Wir haben Bilder gezeichnet, alles besprochen und ausgebessert. Wir haben ca. ein halbes Jahr daran gearbeitet und Spaß gehabt.“ (Nena Maria Ackerl).
Ein Buch lesen und miteinander ein Buch schreiben: Von Welt zu Welt ist eines der schönsten Projekte überhaupt.
Theresia Ladstätter, Leiterin Tutorium Deutsch 1D